Die Sache mit der Leistung...

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    • Die Sache mit der Leistung...

      Es tauchen immer wieder Fragen zur elektrischen Leistung in Bezug auf Subwoofer oder generell Lautsprecher auf. Leider ist das Thema durchaus komplex und ohne E-Technik-Studium nur schwer verständlich (selbst mit ;) ). Ich möchte daher mal beispielhaft zeigen, wie die Belastung an einer Endstufe an verschiedenen Tieftönern und Gehäusen aussieht.


      Grundlagen

      Zu allererst: Leistung (P) ist gleich Spannung zum Quadrat geteilt durch die Lastimpedanz (Z). Also:

      P = U² / Z

      oder über den Strom (I):

      P = I² * Z

      Wichtig ist hierbei sind folgende Sachverhalte, die laienhaft fast immer falsch verstanden werden:

      1. P, U und Z sind komplex. Komplex bedeutet, dass die Werte in einen Realteil und einen Imaginärteil aufgeteilt werden. Das hat mit komplexen Zahlen (Wurzel aus -1) zu tun und muss hier nicht verstanden werden. Wichtig ist, dass Z nicht Re (also der Gleichstromwiderstand) ist! Die Impedanz setzt sich aus dem ohmschen Widerstand, der frequenzabhängigen Kapazität und Induktivität zusammen.
      2. Z ist stark frequenzabhängig! Bei der Resonanzfrequenz ist die Impedanz z.B. um ein Vielfaches höher als bei anderen Frequenzen. Wie man in der Formel oben sieht, bedeutet eine höhere Impedanz eine niedrigere Leistungsaufnahme.
      Die Leistung kann weiterhin in Wirk- und Blindleistung aufgeteilt werden. Das spielt für uns aber keine Rolle, da uns die Gesamtbelastung (Scheinleistung) der Endstufe interessiert. Wir wollen ja schließlich die Endstufe dimensionieren.

      Eine Endstufe kann näherungsweise als Konstantspannungsquelle angesehen werden. Das heißt, es liegt an den Klemmen unabhängig von der Last eine konstante Spannung an. Die Leistungsaufnahme ist also nur von der Impedanz des Lautsprechers abhängig. Wenn man sich so einen Impedanzgang mal anschaut, ist ersichtlich, dass die Leistungsaufnahme nicht überall gleich sein kann. Daher funktioniert auch das Rechnen mit Re oder der vereinfachten Nennimpedanz aus dem Datenblatt nicht. Je niedriger die Impedanz, desto höher die Leistungsaufnahme.

      Impedanz eines geschlossenen Subwoofers:
      Leistung Impedanz.PNG


      Simulation

      In WinISD kann man sich unter "Amplifier apparent load power (VA)" die von der Endstufe abgegebene Leistung in Abhängigkeit von der Frequenz anschauen. Unter "Signal" -> "System Input Power" kann die Leistung bezogen auf die Nennimpedanz oder direkt eine Klemmenspannung eingegeben werden. Der Leistungsfrequenzgang passt sich dann demenstprechend an.

      leistung 4.PNG

      Leistungsfrequenzgang einer Endstufe an einem geschlossenen Subwoofer:
      Leistung 1.PNG

      In diesem Beispiel war die Klemmenspannung 50 V. Das führt einer niedrigen Leistungsabgabe von gerade mal 90 W bei der Resonanzfrequenz (45 Hz) und einer deutlich höheren (>400 W) unter- und oberhalb davon.

      Der Leistungsfrequenzgang bezieht sich immer auf den Amplitudengang, der unter "SPL" dargestellt wird. Das ist ganz wichtig, da Filter, Gehäusegröße usw. alle mit einfließen.

      Sinnvoll ist bei einem Subwoofer z.B., den Tiefpass der Vorstufe gleich mit zu simulieren. Dafür wurde im Folgenden ein Tiefpass 4. Ordnung (Linkwitz-Riley) bei 100 Hz gesetzt. Weiterhin wurde noch ein flacher Hochpass bei 15 Hz gesetzt. Zum einen um die Belastbarkeit zu erhöhen (untenrum limitiert der Subwoofer mechanisch früher) und zum anderen fallen viele elektronische Geräte selbst im Bereich von 5 - 15 Hz deutlich ab. Der Amplitudengang ändert sich natürlich entsprechend, aber das tut er ja in der Realität auch. Hier könnte man auch gleich den Druckkammereffekt mit einrechnen und Filter setzen, die man im Raum auch setzen würde.

      Die Filter sind auch ganz wichtig, weil sie in die Auslenkung eingehen. Es nützt nichts, einen Subwoofer auf 5 Hz zu dimensionieren, wenn die Endstufe einen Hochpass bei 10 Hz setzt und die Auslenkung damit in einem anderen Frequenzbereich maximal ist.

      Amplitudengang mit Hoch- und Tiefpass:

      leistung 3.PNG

      Auslenkung der Membran mit Hoch- und Tiefpass:
      leistung 5.PNG

      Leistungsfrequenzgang mit Hoch- und Tiefpass:
      Leistung 2.PNG

      Bei einem Bassreflexsystem ist es übrigens so, dass die Leistungsaufnahme im Bereich der Abstimmfrequenz sehr hoch ist. Der Treiber nimmt also sehr viel Leistung auf, die Membran steht aber nahezu still. Das hat zur Folge, dass die Kühlung der Schwingspule bei dieser Frequenz extrem schlecht ist. Das nur nebenbei. ;)

      Verschiedene Gehäusegrößen erzeugen verschiedene Leistungsfrequenzgänge. Im Folgenden wurde das Volumen verdreifacht. Die Leistungsaufnahme im unteren Frequenzbereich verringert sich, im oberen erhöht sie sich dagegen. Der Amplitudengang ändert sich dementsprechend auch (hier nicht gezeigt).

      Leistungsfrequenzgang mit großem Gehäusevolumen:
      leistung 6.PNG

      Leider unterstützt WinISD keine komplexeren Verschaltungen. Alle Treiber werden immer parallel angeschlossen angenommen. Das heißt, für die spätere Verschaltung muss man sich die Impedanz und damit die Leistungsaufnahme selbst ausrechnen. In der Regel gilt (in gewissen Grenzen), dass eine Endstufe bei halber Lastimpedanz ihre Leistungsabgabe verdoppelt. Wenn man also Beispielsweise im Datenblatt die Werte für 4 Ohm zur Verfügung hat und die Verschaltung der Treiber 6 Ohm ergibt, rechnet es sich wie folgt:

      P6 Ohm = 4 / 6 * P4 Ohm

      Ausgehend von 8 Ohm dann entsprechend mit dem Faktor 8 / 6. Für die Gesamzimpedanz der Verschaltung würde ich immer die niedrigste des Impedanzganges hernehmen, die noch im Nutzbereich liegt und bei der der Amplitudengang nicht schon um einige dB abgefallen ist (100 Hz wäre bei einem Subwoofer z.B. Blödsinn). Damit rechnet man also die höchstmögliche Belastung für die Endstufe aus.

      Jetzt kommt natürlich noch dazu, dass Endstufen selten ihre Leistungswerte aus dem Datenblatt erreichen. Aber das ist ein anderes Thema und soll hier nicht besprochen werden. ;)


      So, ich denke, das reicht erst mal für den Anfang. Bei Fragen, nur zu! :)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von FoLLgoTT ()

    • Hi Nils,

      sehr interessanter Beitrag.

      Den ein oder anderen Punkt verstehe ich noch nicht so ganz:

      Der beschriebene Sub-Woofer zeigt die groesste Impedanz bei 45 Hz und ist drueber und drunter um einiges kleiner. Woraus bildet sich genau dieser Impedanzverlauf und inwieweit ist er konstruktionsbedingt beeinflussbar?

      Später im Text werden die 45 Hz als Resonanzfrequenz genannt. Bei Resonanz schwingt ja Energie froehlich zwischen Induktivitaet (L) und Kapazitaet (C) hin und her. Die Resonanzfrequenz berechnet sich ja daraus (Klein-Omega = 1 durch Wurzel L*C )

      Nun hat ja ein Subwoofer erst mal ne grosse Spule fuer das Chassis drin, was die Induktivitaet darstellt. Woher kommt denn die Kapazitaet in dem Gebilde, so dass sich eine Resonanz (-frequenz) ergeben kann?

      Inwieweit kann denn der Impedanzverlauf des Sub-Woofers bzw. dessen Resonanzfrequenz (im Bsp 45 Hz) sich auf Raummoden auswirken. Zum Beispiel wenn diese Resonanz-Frequenz genau auf die Anregungsfrequenz einer Raummode trifft?

      Gruss

      Juergen
      Theorie ist, wenn einer alles weiss, aber nichts funktioniert. Praxis ist, wenn alles funktioniert, und keiner weiss warum.
    • Juergen S schrieb:

      sehr interessanter Beitrag.
      Danke! :)

      Juergen S schrieb:

      Der beschriebene Sub-Woofer zeigt die groesste Impedanz bei 45 Hz und ist drueber und drunter um einiges kleiner. Woraus bildet sich genau dieser Impedanzverlauf und inwieweit ist er konstruktionsbedingt beeinflussbar?
      Die Resonanzfrequenz eines Treibers wird durch das Masse-Feder-System bestimmt. Die Aufhängung (Zentrierspinne und Sicke) und die Masse der Membran und Schwingspule bilden eine Feder. Dazu kommt noch die Luftfeder durch das Gehäuse. Die Einbauresonanzfrequenz ist also entscheidend.

      Juergen S schrieb:

      Nun hat ja ein Subwoofer erst mal ne grosse Spule fuer das Chassis drin, was die Induktivitaet darstellt. Woher kommt denn die Kapazitaet in dem Gebilde, so dass sich eine Resonanz (-frequenz) ergeben kann?
      Die Resonanzfrequenz eines Treibers entsteht rein mechanisch und nicht elektrisch. Das Gesamtgebilde kann aber durch ein elektrisches Ersatzschaltbild modelliert werden. Die Mechanik ist mit der Elektrik durch die Induktion (elektromagnetische Gegenkraft) gekoppelt. Beide haben direkten Einfluss aufeinander.

      Wie genau das Ersatzschaltbild aussieht, findet man im Netz. So tief bin ich da auch nicht drin. :)

      Juergen S schrieb:

      Inwieweit kann denn der Impedanzverlauf des Sub-Woofers bzw. dessen Resonanzfrequenz (im Bsp 45 Hz) sich auf Raummoden auswirken.
      Gar nicht. Beide sind unabhängig voneinander.

      Die Einbauresonanzfrequenz erzeugt bei einer Güte ab 0,5 (aperiodischer Grenzfall) auch keine Überhöhung im Amplitudengang. Unterhalb der Resonanzfrequenz fällt allerdings der Amplitudengang mit 12 dB/Okt.
    • OK, danke.

      Ist es richtig zu sagen, dass die Abbildung "Auslenkung der Membran mit Hoch- und Tiefpass:" der gehoerten Lautstaerke entspricht? In der Abbildung ist auch gut zu sehen, wie der 100Hz Tiefpass greift.


      Interessant auch die Abbildung "Leistungsfrequenzgang mit großem Gehäusevolumen:"

      FoLLgoTT schrieb:

      Im Folgenden wurde das Volumen verdreifacht.
      Bei diesem Bildchen scheint sich die Resonanzfrequenz von 45Hz auf ca. 30Hz zu verschieben.


      Das Raummoden und die Resonanzfrequenz nicht doch irgendwelche Wechselwirkungen haben, da muss ich noch mal ein paar Takte drueber nachdenken.

      Interessant wären noch mal Bildchen der Membranauslenkungen "ohne Filter" und auch "mit Filter und vergroessertem Volument". (Hab mir das Tool gerade mal runtergeladen, komme aber (noch) nicht damit klar.)

      Gruss

      Juergen
      Theorie ist, wenn einer alles weiss, aber nichts funktioniert. Praxis ist, wenn alles funktioniert, und keiner weiss warum.
    • Netzteil schrieb:

      Super erklärt! :thumbs:

      Da ich auch "selbst mit" unterwegs bin, kann ich nur eines sagen: beschrifte die Achsen. :zwinkern:
      Recht hast du. Leider tut das WinISD nicht. Hätte ich nachträglich beschriften müssen. :verlegen:

      Juergen S schrieb:

      Ist es richtig zu sagen, dass die Abbildung "Auslenkung der Membran mit Hoch- und Tiefpass:" der gehoerten Lautstaerke entspricht?
      Nein, um eine konstanten Schalldruck zu erzeugen, muss die Auslenkung mit fallender Frequenz zunehmen. Hören tun wir das, was unter "SPL" zu sehen ist. Allerdings kommen dann noch die Kurven gleicher Lautstärke oben drauf, die unser Gehör beschreiben. ;)

      Juergen S schrieb:

      Bei diesem Bildchen scheint sich die Resonanzfrequenz von 45Hz auf ca. 30Hz zu verschieben.
      Ja, genau. :)
    • Hallo Nils,

      wirklich sehr interessanter Beitrag. Es macht immer wieder Spaß durch dich noch immer was dazu zu lernen. Vielen Dank!

      Kannst du mir erklären wie in WinISD System Input Power und Scheinleistung zusammen hängen?
      Gerade wenn ich eine Linkwitz Transformation aktiviere muss ich die System Input Power reduzieren, damit Xmax nicht überschritten wird. Damit reduziere ich dann entsprechend auch die Scheinleistung auf ein Niveau vor Transformation für den transformierten Frequenzbereich.
      Die Maximum Power bleibt immer bei dem Max Wert des Chassis.

      Muss der Wert von System Input Power für die Dimensionierung berücksichtigt werden oder ist das irrelevant?

      VG
      Christian
    • Lando2081 schrieb:

      wirklich sehr interessanter Beitrag. Es macht immer wieder Spaß durch dich noch immer was dazu zu lernen. Vielen Dank!
      Das freut mich. :bier:

      Lando2081 schrieb:

      Kannst du mir erklären wie in WinISD System Input Power und Scheinleistung zusammen hängen?
      "System input power" ist leider etwas irreführend, da es sich auf die Nennimpedanz bezieht. Ich würde mir daher immer "Driver input voltage (each)" anschauen. Das ist die Spannung, die an jedem Treiber anliegt. Die real umgesetzte Leistung ist dann in "Amplifier apparent load" zu sehen.

      Lando2081 schrieb:

      Gerade wenn ich eine Linkwitz Transformation aktiviere muss ich die System Input Power reduzieren, damit Xmax nicht überschritten wird. Damit reduziere ich dann entsprechend auch die Scheinleistung auf ein Niveau vor Transformation für den transformierten Frequenzbereich.
      Die Maximum Power bleibt immer bei dem Max Wert des Chassis.
      Genau. Jedes Filter ändert den Amplitudengang, die Auslenkung dementsprechend auch die abgegebene Leistung. In "Maximum Power" wird nur die summierte Nennleistung des (bzw. der) Treiber dargestellt. Also eine eher sinnlose Kurve. ;)

      Ich gehe bei Simulieren meist so vor:

      1. Treiber, Anzahl und Gehäusegröße usw. einstellen
      2. Filter setzen, die später auch zum Einsatz kommen (z.B. Hoch- und Tiefpass) und so den Amplitudengang so formen, wie ich ihn haben will (hängt auch vom Raum ab und sollte vorher gemessen werden)
      3. "Driver input voltage (each)" so lange erhöhen/verringern, bis die Auslenkung ("Cone excursion") Xmax erreicht hat. Dann ist unter "SPL" der Schalldruckverlauf zu sehen, der noch halbwegs sauber erreicht werden kann.
      4. Unter "Amplifier apparent load" ablesen, wie viel Leistung dafür maximal benötigt wird
    • Bolle schrieb:

      Moin Nils, schon mal Boxsim benutzt? Da kann man auch sehr einfach die benötigte Spannung / Leistung frequenzabhängig berechnen und darstellen. Auch komplexe Verschaltungen sind da möglich, sowie die Berücksichtigung von Aktivfiltern....
      Ja, Boxsim habe ich schon oft benutzt. Ich bin hier bewusst auf WinISD eingegangen, weil es die meisten benutzen und zumindest halbwegs damit klarkommen. Boxsim ist auf jeden Fall ein feines Programm, allerdings unterstützt es auch nur acht Treiber.
    • FoLLgoTT schrieb:

      Ich gehe bei Simulieren meist so vor:

      1. Treiber, Anzahl und Gehäusegröße usw. einstellen
      2. Filter setzen, die später auch zum Einsatz kommen (z.B. Hoch- und Tiefpass) und so den Amplitudengang so formen, wie ich ihn haben will (hängt auch vom Raum ab und sollte vorher gemessen werden)
      3. "Driver input voltage (each)" so lange erhöhen/verringern, bis die Auslenkung ("Cone excursion") Xmax erreicht hat. Dann ist unter "SPL" der Schalldruckverlauf zu sehen, der noch halbwegs sauber erreicht werden kann.
      4. Unter "Amplifier apparent load" ablesen, wie viel Leistung dafür maximal benötigt wird


      Hi Nils,

      vielen Dank für diesen Thread, der ist wirklich mal wieder sehr informativ! :)

      Ich habe eine Frage zu Deinem Punkt 1 - wenn ich in WinISD mehr als einen Treiber simulieren will, wie gehe ich da vor? Also für ein SBA oder DBA? Denn wenn ich mehr als einen Treiber einstelle, dann packt er die mir alle in ein Gehäuse - also zB 8 Treiber in EINEM 800L Gehäuse statt in 8x 100L. Das ist doch sicher nicht so gedacht, oder? Was übersehe ich?

      Danke schonmal!
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